Die Kamera verstehen

Immer wieder tauchen in den Foren, sozialen Medien und in meinem Umfeld die gleichen Fragen auf. Jemand kauft sich zum ersten mal eine Systemkamera und ist überfordert mit den ganzen Tasten und Informationen.

Warum kauft man sich als absoluter Leie eine Systemkamera?
Die meisten erlebten Momente kann man super mit den heutigen Smartphone fotografieren. Die Fotos, welche aus einer modernen Handykamera kommen, sind meist voller Farben und Kontraste und gefallen den meisten auf Anhieb.
Trotzdem denken die meisten Hobbyknippser, dass eine “große” Systemkamera die viel schöneren Fotos zaubert. Und genau hier liegt das Problem

Eine Systemkamera macht technisch gesehen die besseren Bilder als jedes Smartphone – wenn man denn weiß was man tut.

Und genau hier möchte ich den Kamera-Neuling einige grundlegende Dinge erklären, was an einer Kamera alles eingestellt werden kann, soll und darf damit man auch Freude an dem Neukauf hat und sich nicht ärgert mit dem Gedanken:” “Mein Handy konnte das aber besser!”

Die Systemkamera

Fangen wir mit dem Begriff Systemkamera an. Was soll das heißen und warum hat mich das zu kümmern?

Zu Film-Zeiten gab es die SLR (Single Lense Reflex). Also eine Kamera mit einem Spiegel und einem Objektiv welches man in der Regel wechseln konnte.

Als der Film dem digitalem Sensor gewichen ist, nannte man diese Kameras nun DSLR – also das gleiche nur eben in Digital.

Als die ersten spiegellosen Kameras mit Wechselobjektive raus kamen, galt der Begriff “Reflex” nicht mehr, da es ja nichts mehr zum reflektieren gab (kommt noch später). Und man einigte sich auf dem Namen “Systemkamera”. Er kursiert auch noch der Namen “spiegellose Systemkamera”, ich persönlich finde diesen Namen aber eher bescheiden. Warum muss ich ein Produkt nach etwas benennen was fehlt..

So versteht man heute unter Systemkamera, jede Kamera an denen Objektive gewechselt und Zubehör (zB. Blitz) montiert werden kann.

Meine erste richtige Kamera

Wie sieht denn eine Systemkamera nun aus. Da du schon eine gekauft hast, weißt du das ja schon 🙂

Ich zeige es hier anhand einer Sony A7 II. Wir haben oben einige Rädchen und Knöpfe, hinten einen Bildschirm und wieder Rädchen und Knöpfe und vorne ein Loch mit dem (sehr sensiblen) Sensor.
Letzteres ist schnell erklärt. Hier kommt das Objektiv ran.

Hinten gibt es je nach Kamera Hersteller und Modell ein Rädchen, Tasten oder Joystick zum schnellen ändern einiger Parameter und den eben genannten Bildschirm.

Oben sind meist der Auslöserknopf und mehrere Rädchen. Eines davon ist das sogenannte Modusrad und genau hier steigen wir in den Kaninchenbau

Die Kamera Modi

Mit dem Modusrad können wir verschiedene sogenannte Kameramodi einstellen.

MSAP, was wie ein Titel eine berühmten deutschen Rap-Band klingt, sind die verschiedenen Modi, wie die Kamera bedient werden kann. Je nach Kamera heißen dir Kürzel anders, bedeuten aber immer das selbe.

Fangen wir beim Auto Modus an. Er ist meist grünlich und bedeutet, dass die Kamera alle Parameter mehr oder weniger intelligent von selbst einstellt.
Wann verwende ich diesen Modus?
Immer dann wenn es entweder sehr schnell gehen muss und ich keine Zeit/Nerven/Lust habe, die geeignete Parameter einzustellen. Bspl: Ich bin auch einer kleinen Feier und möchte nur schnell einen flüchtigen Augenblick ablichten. Freistellung und der ganze Krams ist egal. Dann schnell auf Automatik, die Kamera wird schon wissen was sie tut.

So ähnlich arbeitet auch die Programmautomatik (P). Hier stellt ebenfalls die Kamera die Belichtungszeit und die Blende nach Gutdünken aus. Andere Parameter kann ich noch beeinflussen (ISO, Fokus, Weißabgleich usw.)
Wann verwende ich diesen Modus?
Eigentlich nie.. außer man will langsam in Richtung manuelle Bedienung und tastet sich langsam heran.

Kommen wir zum Blendenautomatik (Je nach Kamera S oder Tv).
In diesem Modus wird lediglich die Blende von der Kamera eingestellt, die Belichtungszeit und den ganzen Rest kann und muss ich selber einstellen.
Wann verwende ich diesen Modus?
Immer dann wenn mir die Zeit wichtiger ist als die Blende. Konkretes Beispiel: Ich möchte eine lange Belichtungszeit haben um zB. fließendes Wasser weich darzustellen

Fehlt noch der manuelle Modus (M). In diesem Programm, muss ich alles manuell einstellen. Viele meinen, dass man in diesem Modus das fotografieren lernt. Ich bin aber der Meinung, dass man durch das viele überlegen, was ich wann einstelle, mich nicht mehr an das eigentliche Bild konzentrieren kann.

Die Belichtungsparameter

Genau das Gegenteil macht die Zeitautomatik (Je nach Kamera A oder Av). Hier steuer ich die Blende und die Kamera passt automatisch die Belichtungszeit an die Gegebenheiten an. Zusätzlich habe ich wie im Blendenautomatikmodus die Kontrolle über ISO, Weißabgleich, Belichtungskorrektur, Fokuspunkt usw.
Wann verwende ich diesen Modus?
Da die Blende ein wichtiges kreatives Stilmittel in der Fotografie ist (Freistellen, Schärfentiefe, Sonnensterne usw.) verwende ich diesem Modus zu 99%.

Wir haben jetzt gesehen, dass man an so einer Systemkamera sehr viele Parameter einstellen kann. Aber warum muss ich das überhaupt? Ich möchte doch nur ein Foto schießen. Wenn das so einfach wäre…
Es gibt drei wichtige Belichtungseinstellungen, welche das sogenannte Belichtungsdreieck bilden. Diese drei Parameter sollte man kennen und immer im Auge behalten, da sie sich gegenseitig beeinflussen:
Blende – Zeit – ISO

Die Blende

Die Blende von offen bis geschlossen

Wenn das Objektiv das Auge der Kamera ist, dann ist die Blende dessen Iris. Meist ist die Blende im Objektiv eingebaut. Diese lässt sich an der Kamera oder direkt am Objektiv schließen und öffnen. Die Angabe der Öffnung steht meist hinter einem “F”

Hier ist die Blende F2.8 gewählt

Was aber bewirkt dieses öffnen und schließen der Blende?
Es bewirkt gleich mehrere Effekte zugleich. Wie die Iris im menschlichen Auge sorgt das öffnen oder schließen der Blende für mehr oder weniger Lichtdurchlässigkeit. Je offener (und damit niedriger die Zahl), desto mehr Licht kommt hindurch. Je mehr die Blende geschlossen wird (höhere Zahl) desto weniger Licht gelangt auf den Sensor.
Zeitgleich steuern wir noch etwas sehr wichtiges, was ein sehr wichtiges Stilmittel in der Fotografie ist: Je offener die Blende ist, desto kleiner wird der Schärfebereich, der fotografiert wird. Dies wird meist gewünscht, wenn man eine Person oder ein Objekt von dem Hintergrund freistellen möchte. Umgekehrt erhöht sich die Schärfentiefe, je mehr ich die Blende schließen. So kann ich ein schönes Landschaftsfoto machen, wo der gesamte Bereich scharf abgelichtet ist. Durch das schließen der Blende entstehen bei Lichtpunkte dann noch oft die gewünschten Licht- bzw Sonnenstrahlen.

Die Belichtungszeit

In die Blichtungszeit greife ich immer dann ein, wenn diese etwas spezieller sein muss/darf, als die Kamera automatisch einstellt und wir in der Kamera in Sekunden oder in Brüche angezeigt:

Im Allgemeinen gilt: Je länge ich belichte – also das Licht auf den Sensor trifft – desto mehr Informationen (Licht) fallen auf den Sensor. Was jetzt so selbstverständlich klingt ist in der Praxis oft sehr schwierig. Denn genau dieses Phänomen ist meist eben nicht erwünscht. Je länger die Belichtungszeit ist, desto mehr verwackelt mein Bild, sofern die Kamera und das Motiv nicht komplett still stehen. Das ist der meiste Grund für unscharfe Bilder, wo es am Ende heißt: “Mein Handy konnte das aber besser”. Um Verwacklungen zu vermeiden gibt es mehrere Möglichkeiten:
Entweder stelle ich meine Kamera auf einen festen Untergrund.
Oder ich öffne die Blende, bzw erhöhe die ISO, dass mehr Licht auf den Sensor trifft und ich so die Belichtungszeiten kürzer halten kann.
Man kann eine lange Belichtungszeit aber auch dazu nutzen um Bewegungen verschwimmen zu lassen, oder extrem viel Licht ein zu sammeln (zB bei Nachtaufnahmen).

ISO

Die ISO sind nicht so leicht zu erklären. Im Grunde ist es eine Zahl, welche die eingestellte Lichtempfindlichkeit des Sensors angibt.

Je höher diese Zahl ist, desto lichtempfindlicher ist der Sensor. Leider steigt mir der höheren Lichtempfindlichkeit auch die Pixelfehler, welches sich im Bild als sogenanntes unschönes Bildrauschen zeigt.

Für die Zusammenfassung hier noch das Cheatsheet der Hamburger Fotospots

Was nützt mir das alles jetzt?

Diese drei Parameter sind dahingehend wichtig, da sie sich gegenseitig und am Ende das Ergebnis beeinflussen. Öffne ich die Blende, da ich ein Motiv freistellen möchte, gelangt automatisch mehr Licht an den Sensor, was mir das Foto überbelichtet. Also muss ich entweder die Belichtungszeit verkürzen, oder die ISO niedriger schrauben (sofern dies nicht schon die Kamera übernimmt). Ändere ich einen der drei Parameter, muss ich mit einem der anderen entgegen steuern.

Belichtungskorrektur

Bin ich mit den Einstellungen zufrieden und bekommen aber trotzdem ein zu dunkles oder zu helles Bild, kann ich mit der Belichtungskorrektur (meist als + – gekennzeichnet) dagegen wirken. Dies kann oft passieren, wenn ich im A Modus bin und die Kamera die Szene falsch misst und die Belichtungszeit zu kurz oder zu lang einstellt. Um hier nicht an der Zeit schrauben zu müssen, passe ich hier die Belichtung kurzerhand an das Motiv an.

Der ganze andere Kram

Ok, die Belichtungseinstellungen habe ich jetzt verstanden. Es gibt da aber noch so viel an der Kamera ein zu stellen..
Aber vieles davon braucht man am Anfang nicht wirklich. Nehmen wir zum Beispiel den Weißabgleich:
Wenn ich ein weißes Blatt Papier im Sonnenlicht oder unter einem Kerzenschein betrachte, ist es für mich immer ein weißes Blatt Papier. Nicht so für die Kamera. Jedes Licht hat seine eigene Lichtfarbe (Kelvin) und beleuchtet dementsprechend das weiße Blatt Papier entweder kälter (blau) oder wärmer (gelb). Damit die Kamera nicht quitschgelbe Fotos macht, muss sie den sogenannten Weißabgelich einstellen. Oder man macht es manuell. Da die modernen Kamera hier aber so gut geworden sind, ist diese Einstellung vielleicht eher was für erfahrenere Fotografen (dazu gehörst du auch in ein paar Wochen, wenn du diesen Beitrag aufmerksam liest).
Auch den Blitzmodus kannst du getrost auf Standard lassen.
Die einzige Einstellung, welche noch wichtig ist, ist das setzen der Fokuspunkte.
Moderne Kameras haben unzählige Fokuspunkte und können über das ganze Bild verteilt sein.

Fokuspunkte – Quelle: http://thenewcamera.com/

Auch wenn die Kamera in der Automatik oft den richtigen Fokuspunkt, dank Gesichterkennung trifft, so muss man doch immer mal wieder den Fokuspunkt selber setzen. Möchte ich in meinem Garten eine besonders schöne Blume mit offener Blende freistellen, so weiß die Kamera nicht immer, ob ich denn nicht doch das Gebüsch im Hintergrund scharf stellen möchte.

Objektive

So. Die Kamera haben wir soweit verstanden. Aber da war doch noch was?
Genau. Das Objektiv. Das wichtigste Element in der Fotografie. Kein anderes Teil beeinflusst die “Qualität” der Bildes so sehr, wie das Objektiv.
Beim Kauf einer neuen Kamera ist mein ein solides Standardzoom dabei, welches für alles möglich am Anfang herhalten kann. Will man aber spezielle Fotos erhalten. Jene mit dem gewissen Look, der gewissen Schärfe, der besonderen Freistellung oder den tollsten Sonnenstern, dann müssen Spezialisten her.

Brennweite

Die Brennweite wird am Objektiv mit sogenannten Millimeter angegeben. Es sagt aus, ob ich sehr viel aufs Bild bekomme (Weitwinkel) oder etwas sehr weit entferntes nah heranholen kann, wie ein Fernglas (Tele). Es gibt Brennweiten welche ganze 180° Blickwinkel in einem Foto abbilden können, oder jene die den Mond so nah heranholen, das man meinen könne, die Schritte von Armstrong zu sehen.

Verschiedene Brennweiten sind für verschiedene Zwecke geeignet. So nimmt man bei Landschaftsaufnahmen meist ein Weitwinkelobjektiv um viel von der Landschaft aufs Bild zu bekommen. Oder man nimmt ein Teleobjektiv um Tiere in der Wildnis zu fotografieren. Oder man nimmt eine mittlere Brennweite um schöne Portraits zu schießen.

Zoom oder nicht Zoom

Was ist eigentlich ein Zoom? Die meisten Leute meinen mit einem Zoom weit entfernte Motive ablichten zu können. Es gibt aber in jedem Brennweitenbereich viele Zoomobjektive. Es bedeutet lediglich, dass ich mit einem Objektiv verschiedene Brennweiten einstellen kann. Neben den Zoomobjektiven gibs es auch Objektive mit einer fixen Brennweite. Diese nennt man dann passend Festbrennweite. Die Festrennweiten zeichnen sich in der Regel mit einer besseren Bildqualität aus. Aber hier gilt wie immer: Die Ausnahme bestätigt die Regel.

Blende

Diesen Part haben wir weiter oben schon besprochen. Hier wird normalerweise die offenste Blende des Objektivs angegeben. zB.: F1.4 oder F3.5-5.6 bei einem Zoomobjektiv (hier ändert sich die offenste Blende beim Zoomen).

Money Money

Gute Objektive können richtig ins Geld gehen. Nicht selten zahlt man für ein neues Sony schon mal 1500€. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass teurere Objektive immer besser sind. Hier gibt es auch immer wieder schwarze Schafe. Aber generell kann man davon ausgehen, dass Objektive oberhalb von 500€ gute Abbildungsleistungen bieten. Sie sind meist schärfer und leiden weniger unter Objektivfehler.

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7 Kommentare

  1. Gut gemacht, sehr schön!

  2. Eigentlich überfordert eine Systemkamera nicht den Fotografen. Dein Ansatz ist absolut richtig, es ist eher die Kamera, die einen Einsteiger überfordern. Plötzlich ist man herausgerissen aus dem Automatik-Modus-Geknipse und weiß nicht was man tun soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich eine Spiegelreflex-, Bridge-, bessere Kompakt- oder spiegellose Systemkamera habe. Das “richtige” Fotografieren muss trainiert und erlernt werden und das schreibe ich auch oft auf meinem Blog auf chris-schwarz.de.

    Im Prinzip ist es leichter, wenn man zuvor Grundkenntnisse im Umgang mit einer Kamera hat. Als ich vor einigen Jahren die erste SONY Systemkamera für meine Agentur anschaffte, fiel es mit persönlich leicht. Die Basics erlernte ich mir mit einer CANON APS-C-Kamera. Am meisten nutze ich vier Kameras, da sie je nach Anwendungsfall und Auftrag die besseren Werkzeuge sind. Das sieht bei mir wie folgt z.B. so aus:
    – Canon EOS 70D (APS-C): Tierfotografien/-Portraits mit dem Sigma 150-600mm Dank des Crops eine perfekte Kombi!
    – SONY Alpha 7S II: Low-Light, Night-/Cityscapes, Astro
    – SONY Alpha 7R III: Landschaftsfotos, Cityscapes, Portraits
    – Panasonic Lumix G91 (MFT): Reise, Reportage, Action -> handlich, perfekt für das Handgepäck. Eher private Nutzung. 🙂

    Ansonsten super Blog! Keep going! 🙂

    Mit besten Grüßen aus dem Ruhrgebiet
    Christian (#chrizschwarz IT & Media)

    • Andreas

      Hallo Christian,
      Schön formuliert, da kann ich dir voll zustimmen.
      vg Andreas

  3. Hey! Vielen Dank für deine ganze Mühe, es hat mir wirklich sehr weitergeholfen! Danke! Liebe Grüße

  4. Was nicht so stimmt is die Erklärung von Systemkameras mit dem aufkommen der digitalen Kameras. Eine Systemkamera ist ja erstmal nur eine Kamera mit System 🙂 bei der sich Komponenten – meist Objektive und ggf.s Blitz – austauschen lassen. Eine SLR ist auch eine Systemkamera, aber auch Leica war und ist da mit ihren Messsucher-Kameras dabei. Den Begriff gab es aber schon immer, es wurde dann mit der Zeit durch “Spiegelreflex” im Sprachgebrauch abgelöst und verschwand so ein wenig, um dann wieder neu aufzutauchen.
    So gesehen ist eine “spiegellose Systemkamera” schon ein korrekter Begriff. Nur Systemkamera schliesst wesentlich mehr mit einem. DSLR und DSLM finde ich etwas praktischer in der Handhabung, bei letzterem hast du ja aber auch das “Mirrorless” drin.

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